Über Generationen verbunden
In Studentenverbindungen kommen Männer zusammen, die gemeinsame Werte teilen. Berufliche Hilfe und Ratschläge älterer Generationen sind nicht die einzigen Vorteile des elitären Netzwerks.
Der Berliner Arian Aghashahi (23) und der Kölner Bernd Schäfer (63) sind Cartellbrüder. Das bedeutet, sie sind Mitglieder unterschiedlicher katholischer Studentenverbindungen, gehören zugleich aber dem übergeordneten Cartellverband (CV) an. Während Schäfer als Verbindungsstudent in den 1980er-Jahren bei der K.D.St.V. Asgard zu Köln (siehe Glossar) aktiv war und jetzt Alter Herr ist, ist Aghashahi aktiver Bursch bei der K.D.St.V. Bavaria Berlin. Katholische Verbindungen sind farben-tragende Verbindungen. Das bedeutet, die Mitglieder tragen zu offiziellen Anlässen ein Band mit den Farben der jeweiligen Verbindung, gelegt um Schulter und Hüfte. Zudem sind die katholischen Verbindungen nicht-schlagend, sie fechten also nicht.
Welche Privilegien ergeben sich aus der Mitgliedschaft in den Männerclubs? Getrennt antworten darauf der Bursch Arian Aghashahi (23) und der Alte Herr Bernd Schäfer (63).
Warum haben Sie sich Ihrer Verbindung angeschlossen?
Bernd Schäfer: Mein Vater hat stark insistiert, weil er selbst Cartellbruder in einer Verbindung war. Das hat mich erst abgehalten, es zu tun. Ich habe es am Ende nur deshalb gemacht, weil mir die Leute, die damals in der Verbindung aktiv waren, gefallen haben.
Was macht für Sie die Verbindung aus?
Arian Aghashahi: Für mich ist es der Glaube. Ich bin von Haus aus nicht Katholik. Meine Eltern sind kulturell betrachtet Muslime, aber selbst nicht gläubig. Die Verbindung erzeugt in erster Linie ein besonderes Verhältnis zwischen den einzelnen Mitgliedern.
Bernd Schäfer: Das wesentliche Moment einer Verbindung wie unserer sind für mich die Prinzipien Scientia, also Wissenschaft, und Amicitia, also Freundschaft.
Welche Privilegien resultieren aus der Mitgliedschaft?
Arian Aghashahi: Zunächst ist es erst einmal eine Ehre, dass ich Mitglied sein darf in der Verbindung. Ich verbinde mit der Mitgliedschaft ein Geben und Nehmen. Es gibt Verpflichtungen, aber es entstehen auch Vorteile daraus. So geht es mit vielen Mitgliedschaften. Wer ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung bekommt, erhält nicht nur Geld, sondern bringt sich gesellschaftlich, ehrenamtlich ein und gibt der Gemeinschaft etwas zurück. So ähnlich ist es auch in einer Verbindung, nur auf einen spezifischeren Personenkreis reduziert.
Bernd Schäfer: Für junge Leute, die auf dem Haus wohnen, sicherlich eine Protektion (Förderung/Begünstigung, Anmerkung der Redaktion) in Form von vergünstigter Miete, ein Haus in absoluter Uni-Nähe. Außerdem werden sie zeitweise bekocht. Man bekommt schnell Kontakt zu Alten Herren und dadurch relativ einfach eine Praktikumsstelle oder einen Auslandsaufenthalt vermittelt.
Waren diese Privilegien ein Grund für Sie, Mitglied zu werden?
Bernd Schäfer: Nein.
Für Aghashahi waren persönliche Gründe der Anstoß für seine Mitgliedschaft:
Welche Erlebnisse verbinden Sie mit Ihrer Verbindungszeit?
Bernd Schäfer war während seiner Studienzeit Senior seiner Verbindung. 1984 leitete er zum 100-jährigen Bestehen eine große Feier:
Arian Aghashahi: Zu jedem Mitglied hat man ein individuelles Verhältnis. Ganz grundsätzlich habe ich schöne Zeiten erlebt und erlebe Abende, an denen man es sich gut gehen lässt und vom Studium abschalten kann. Was die Alten Herren angeht: Sie haben mal einen guten Ratschlag, vielleicht auch, wenn man im Leben mit Schwierigkeiten konfrontiert ist. Eine Stimme eben, die gewisse Erfahrungswerte mitbringt. Das ist etwas Besonderes.
Herr Schäfer, welche Vorteile hat Ihnen die Mitgliedschaft nach dem Studium gebracht?
Bernd Schäfer: Jobmäßig keine. Ich habe meine Karriere in einem Unternehmen gemacht, wo auch CVer waren. Wir haben uns aber gar nicht als solche zu erkennen gegeben oder das zum Thema gemacht. Ich habe keinerlei Protektion wegen meiner Verbindung erfahren und auch nicht nötig gehabt. Was mir aber geholfen hat, war Coaching. Wenn ich eine Bewerbung geschrieben habe, zu einem Bewerbungsgespräch gegangen bin oder mich gefragt habe, zu welchem Arbeitsgeber ich gehen kann, habe ich doch selbstverständlich ältere Bundesbrüder, die in diesem Bereich tätig waren, gefragt: Was soll ich tun, wo hingehen, wie verhalten? Die Hilfestellung war ungemein viel wert.
Herr Aghashahi, was erhoffen Sie sich aus der Verbindung für Ihre Zukunft?
Arian Aghashahi: Als normaler Student hat man später vielleicht noch zu ein oder zwei Kommilitonen Kontakt. Was mit der Verbindung bleibt, ist, dass man mit Menschen, mit denen man gemeinsam studiert hat, in diesem Haus gelebt hat und morgens aufgestanden und zur Uni gegangen ist, zurückschauen kann, wenn man 50 oder 60 Jahre alt ist.
Hat eine Mitgliedschaft auch Nachteile?
Bernd Schäfer: Nein. Ich bin auch immer offen mit meiner Mitgliedschaft umgegangen. In studentischen und beruflichen Kreisen habe ich das erzählt und auch vertreten vor Menschen, die dem Verbindungsgedanken generell kritisch gegenüberstehen.
Arian Aghashahi: Verbindungen gehört ja nur eine Minderheit der Studenten an, wenn überhaupt ein Prozent. Es gibt viele Annahmen in der Gesellschaft über Verbindungen – und es gab aufgrund eines Stereotyps schon Situationen, in denen jemand mir gegenübergetreten ist und mich als Verbindungsstudent wahrgenommen hat, aber nicht als Mensch mit Namen und individuellem Hintergrund. Das ist schon etwas, was sich bemerkbar macht – vielleicht auch insbesondere in Berlin. Ich plädiere dafür, Widersprüche und Gegensätze nicht als Bedrohung wahrzunehmen, sondern als Chance und Segen in der Gesellschaft. Dass es überhaupt Widersprüche und Gegensätze geben darf. Denn das gibt es nicht überall.
Warum ist es heute noch wichtig, dass in Ihrer Verbindung nur Männer aufgenommen werden?
Arian Aghashahi: Ich persönlich erachte es nicht als wichtig und sehe es als großen Wert, wenn man geschlechtsunabhängig auch in einer katholischen Verbindung Mitglied werden kann. Aber ich bin nicht der einzige Mensch in einer Verbindung, deshalb kann das auch nicht nur von mir abhängen. Es gibt sicherlich in der Kirche und anderswo Menschen, die das anders sehen. Man muss versuchen, das über den Diskurs zu lösen. Gesellschaftliche Veränderungen muss man kooperativ anstoßen.
Schäfer spricht im Video über den Grund für die heutige Situation und warum sich daran nichts ändert:
Sind Verbindungsstudenten Karrieristen?
Arian Aghashahi: Da würde ich eher sagen: nein. Für mich ist das Wort „Karrierist“ auch sehr negativ konnotiert, das muss nicht sein. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich in der Verbindung oft kämpfe, wo ich den anderen dann sage: „Leute, das Studium und die Karriere ist aus meiner Perspektive wichtiger, darauf sollten wir einen größeren Fokus legen.“ Ich persönlich lege sehr großen Wert darauf, im Leben einen gewissen Erfolg vorzuweisen. Ich habe die Verbindung eher als eine Gruppe relativ gelassener und familiärer Menschen erlebt, die sagen, es ist eben nicht nur Karriere wichtig, das Studium sollte eine zweite Komponente haben – eben die, dass man eine Art Verbindung zu Menschen aufbaut.
Bernd Schäfer: Ich glaube, sie spiegeln das gesellschaftliche Gesamtspektrum wider. Wenn Sie alle Studenten einer Universität angucken, gibt es Karrieristen, Idealisten und alles Mögliche dazwischen. Ich glaube, dass in einer Verbindung die Quote von absoluten Karrieristen nicht größer ist als in der gesamten Menge der Studenten.
Was hat Sie die Mitgliedschaft in der Verbindung gelehrt?
Agashahi erzählt im Video vom Vorteil mehrerer Generationen in einer Verbindung:
Bernd Schäfer: Geduld, auch ein Stück Demut. Und letztlich, dass man weiterkommt, wenn man das Brett beharrlich bohrt und Dinge nicht unbedingt und sofort durchsetzen will.
Eindrücke aus der Verbindungszeit heute und in den 80ern
Arian Aghashahi
Der 23-Jährige kommt gebürtig aus Hamm und studiert Jura in Berlin. Seine Eltern sind aus Iran nach Deutschland eingewandert und haben nicht studiert. Aghashahi ist Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, arbeitet neben dem Studium für den Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor (CDU) sowie am juristischen Lehrstuhl der Freien Universität Berlin.
Bernd Schäfer
Der 63-Jährige lebt in Köln und Berlin. In den 80er-Jahren studierte er Betriebswirtschaftslehre in Köln und arbeitete danach als Bankfachwirt und Wirtschaftsprüfer. Für seine Verbindung K.D.St.V. Asgard Köln ist Schäfer aktuell Philistersenior. Das bedeutet, er sitzt der Altherrenschaft vor und repräsentiert den Verein nach außen.